100 Fragen An… Mariah Carey

So schnell wie möglich, denn wir haben ja nicht ewig Zeit.

Süddeutsche Zeitung Magazine (DE) January 20, 2006. Text by Moritz Von Uslar.

Hotel Bayerischer Hof, München, im Dezember. Sie, mit 17 Nummer-eins-Hits der erfolgreichste weibliche Popstar aller Zeiten, ist hier, um noch einen Preis — vergessen, welchen — entgegenzunehmen. Sie musste dazu überredet werden, dieses Interview zu geben. (Hintergrund: Der Witzbold Oliver Pocher hatte sie im Fernsehen als “Presswurst” bezeichnet. Das hat sie verletzt. Das möchte sie, verständlich, nicht noch mal erleben.) Der Plattenfirma wird also versprochen, dass es nicht interessant ist, Mariah Carey doof zu finden, im Gegenteil. Man stellt sie sich traurig vor. Man möchte sie streicheln, stützen, ihr Mut zusprechen. Der Alten, so hört man, bricht doch dauernd und in den dümmsten Situationen der Absatz ab. Hundert liebe, leere, zuckersüße Fragen an Mariah Carey (und trotzdem wird der Reporter sie zu ihrer angeblichen Tablettensucht und einem angeblichen Selbstmordversuch befragen, mal sehen). Dreißig Minuten: gute Zeit. Ein Assistent reicht den vom Management redigierten Fragenkatalog herein, hinter knapp der Hälfte der Fragen steht “No.” Sie kommt mit Entourage; legt sich auf ein Sofa; Entourage ab. Die liegende Mariah: viel Mariah auf einmal. Sie ist geschätzte Einmeterfünfundachtzig groß. Sie liegt so, dass man ihre Absätze von unten betrachten muss, viel Haut, viel Fleisch. Ihr beeindruckender Busen. Er, Busen, hat die Größe zweier großer Männerbäuche. Um ihren Prachtbody spannt sich ein hellblaues Strumpfkleid (über dieses Kleid allein ließe sich ein dreiseitiger, topinteressanter Aufsatz verfassen: was es über Mariahs Herkunft alles sagt, ihren Märchenaufstieg, Pop und Pomp und ihre Lust, für all das von irgendjemandem bestraft zu werden — die ganze Story, das ganze Leid). Sie kramt ein Asthmaspray hervor, sprüht sich in den Mund. Lächeln. Es bockt so brutal, dass man sich das hier — diese Show! — jetzt dreißig Minuten angucken darf. Hundert Fragen? Ja, hundert Fragen; und kurze Antworten, bitte. Und keine Angst. Vor was auch? Wir werden warm.

1: Rot oder Rosa?
“Rosa.”

2: Seide oder Kaschmir?
“Seide.”

3: La Mer oder Dr Sebagh?
“Keine Marken. Ich benutze nur die Produkte, die mein Dermatologe für mich anmischt. Meine Mutter ist irisch, ich habe empfindliche Haut.”

Pscht! Das Spray. Sie setzt ihr supersüßes Lächeln auf. Man begreift gleich, dass das eine Nummer ist, die Mariah-Carey-Nummer: Sprühen, Lächeln, Süß-gefunden-werden-Wollen, in dieser Reihenfolge. Das mit dem Atemspray macht sich natürlich todschick. Sie hat eine Souldiven-Stimme: vibrierend, voluminös, toll tief.

4: Mariah, Glückwunsch! 17 Nummer-eins-Hits, 155 Millionen verkaufte Alben! Sie sind die erfolgreichste Popkünstlerin aller Zeiten. Toll!
“Danke.”

5: Ist eine Auszeichnung übrig, den Oscar einmal ausgenommen, die Sie noch nicht gewonnen haben?
“Nur der Oscar für die beste Hauptdarstellerin. Die schönsten Preise sind die Geschenke, die meine Fans mir überreichen. Wie dieses hier.”

Sie hält einen Knautsch aus Papier, Folie und einem Foto hoch: Bastelarbeit eines Fans. Der Knautsch fällt wieder neben das Sofa.

6: Eine Regel, die man beherzigen sollte, wenn man um acht Uhr morgens am Times Square vor einem kreischenden Pulk Fans einen Auftritt hat?
“Habe jemanden neben dir, der ein Glas heißes Wasser hält. Die Luft um diese Tageszeit kann sehr problematisch sein für die Stimme.”

7: Ihre Nummer-eins-Hit-Formel?
“Schreib einen Song, mit dem alle Altersklassen, alle Rassen etwas anfangen können.”

8: Könnte es ein Spaß sein, den Elvis-Rekord von 18 Nummer-eins-Hit mit einer Coverversion von “In The Ghetto” einzustellen?
“Das könnte ein Spaß sein. Ich meine: nicht wahr? So viel könnte ein Spaß sein.”

Lächeln, ein vieldeutiges. Ach so? Wieso? Was soll uns das sagen? Ein Problem der 100 Fragen ist ja, dass man (Leser, Star, Interviewer) nach zehn Fragen oft schon genug hat, so viel wird gesagt. Sie sortiert ihre Beine neu, zieht den Bund des Körperstrumpfes am Oberschenkel runter Richtung Knie. Man würde tendenziell gern noch weniger sagen, noch weniger hören. Schade, aber ganz ohne Höhepunkt geht's leider nicht. Wir zerren dieses Interview also auf seinen schmerzhaften Höhepunkt und ruhen uns dann, siebzig, achtzig Fragen lang, gemeinsam mit ihr und dem Spray aus. Let's go.

9: Zu Ihrer Herkunft aus den viel zitierten ärmlichen Verhältnissen: ein Bild, das diese Herkunft illustriert?
“Ich laufe durch Manhattan auf Sohlen, die bloß aus Löchern bestehen, und es liegt Schnee. Den Schmerz, den jeder Schritt bedeutete, vergisst du nie.”

10: Als Kind unter Hunger gelitten?
“Nicht unter Hunger, nein. Es gibt verschiedene Abstufungen von Armut. Bei uns kamen große Mengen nicht gerade wertvollen Essens auf den Tisch. Verstehen Sie: Arme Leute sind nicht auf Diät.”

11: Der Name Ihrer ersten Barbie?
“Superstar.”

12: War es eine Ohrfeigen-Jugend?
“Es war keine glückliche Jugend. Ich hatte keine Jugend.”

13: Der goldene Ratschlag Ihrer Mutter?
“Sag nicht ‘Ja, aber,’ wenn du ‘Ja’ sagen kannst.”

14: Ein paar Mariah-Titulierungen aus der Presse. Sie sagen blitzschnell, ob Sie etwas damit anfangen können. Diva.
“Okay. Passt.”

15: Süßes, unschuldiges, zwölfjähriges Mädchen.
“Das trifft zu, ja. Das bin ich.”

16: Aschenbrödel.
“Uncool. Wer will Aschenbrödel sein?”

17: Die größte Stimme seit Aretha Franklin.
“Tolles Kompliment.”

18: Bücherwurm.
“Bücherwurm?”

Bücherwurm, ja. Albert Einstein.
“Ein besonderes Kompliment, sicherlich. Aber das bin ich nicht. Wenn ich mehr Zeit hätte, dann würde ich mehr Bücher lesen.”

19: Der hübscheste Nervenzusammenbruch der Musikgeschichte.
“Der hübscheste…”

Kopfschütteln. Sie spricht nicht weiter. Mund auf, Mund zu. Macht da an ihrer Spraydose rum.

Noch einmal blitzschnell. Ich erinnere Sie an vier klassische Mariah-Momente Ihrer Karriere, Sie kommentieren.
“Ich weiß nicht, ob ich das kann.”

20: 1989 — Sie sind 18 Jahre alt und bedienen in einem Burger-Restaurant — zeigt der Plattenboss Tommy Mottola auf Sie und sagt: “Sie! Sie wird mein neuer Star!”
“Wahr. Nachdem er meine Stimme gehört hatte. Er hat mich aber niemals als Kellnerin arbeiten sehen.”

21: 1993 geben Sie Ihrem großen Mentor das Jawort. Tommy und Mariah feiern eine Märchenhochzeit.
“Korrekt.”

22: Ein Unfall, Fauxpas, lustiges Detail bei dieser Hochzeit, das danebenging?
“Die ganze Hochzeit war total daneben. Entschuldigung.”

23: 2001 gibt Mariah ein MTV-Interview. Sie schwitzt, stammelt, brabbelt Blödsinn. Das Interview wird abgebrochen.
“Menschen, die keine Erfahrung mit Fernsehauftritten haben, können das schwer nachvollziehen. Es gab eine Fehlschaltung in meinen Ohrsteckern. Ich hatte ein Stimmengewirr in den Ohren, sollte aber gleichzeitig auf Fragen antworten, was schwer möglich ist. Alle waren furchtbar aufgeregt. Es war ein Witz. Die Dinge bekamen nachträglich Gewicht, weil ich zwei Tage später einen Schwächeanfall erlitt und ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste.”

24: Ein Selbstmordversuch am Höhepunkt Ihrer Erschöpfung und Ihres Kummers schlägt fehl.
“Das ist unwahr. Ich bin, um Selbstmord auch nur zu erwägen, ein viel zu gläubiger Mensch.”

Kaum Emotionen. Sie lächelt es weg. Eine Fußspitze wippt; das Wippen geht ihr Bein hoch und in ihrem großen Körper verloren. Lächeln, Lächeln, Lächeln. Das Lächeln eines Einmeterfünfundachtzig-Hasen, der beschlossen hat, glücklich zu sein.

25: Ihre Grußworte an Mister Luis Miguel?

Luis Miguel, größter Popstar Südamerikas, dessen Trennung von Mariah ein Auslöser ihres Nervenzusammenbruchs gewesen sein soll.

“Sag ihm hallo. Es gibt keine bösen Gefühle, keine Missgunst. Ich meine…”

26: Ein Song, bei dem Sie die Radiostation wechseln müssen, weil der Song Sie an eine verflossene Liebe erinnert?
“Gibt es nicht. Ich liebe Musik. Ganz gleich, welchen Song.”

27 Sprechen durch Singen: Welcher Liedtext auf Ihrem neuen Album fasst Ihre Emanzipation, die Überwindung Ihrer Lebenskrise am schönsten zusammen?
“Da gibt es sicher etwas in dem Spiritual ‘Fly Like A Bird’.”

Das war's. Ab jetzt wird durchgelächelt. Das Spray, natürlich auch ein Entspannungswerkzeug, müsste jetzt irgendwo zwischen Sofalehne und ihrem Rücken stecken. Dort bleibt es versteckt. Wie leicht alles wird, wenn man mal beschlossen hat, sich von nichts mehr berühren zu lassen — hey! Süß! Süß! Ein Finger in ihren Locken. Der Finger nimmt das Haar, wieder und wieder, wie eine Häkelmasche auf.

28: Mariah, welches ist das schönste Geräusch, vielleicht in Mutter Natur, das Sie jemals mit eigenen Ohren gehört haben?
“Ich liebe den Klang des Ozeans.”

29: Wenn man es ganz genau nimmt: Ist es eine Fünf- oder eine 4 ½-Oktaven-Stimme?
“Hängt davon ab, ob ich am Tag zuvor einen anstrengenden Auftritt hatte und meinen Schlaf bekommen habe. Heute ist es wohl nur eine Oktave.”

30: Der letzte US-Präsident, dem Sie einen Privatauftritt gewährt haben?
“Präsident Clinton. Seine Tochter Chelsea hat das vermittelt.”

31: Ihre Mittel gegen Heiserkeit?
“Heißes Wasser.”

32: Können Sie Gerüchte bestätigen, denen zufolge Sie auf der Silvestersoiree von Saif al-Gaddafi auf den Bahamas live singen werden?

Saif al-Gaddafi, 33, Architekt, Sohn des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi.

“Ich bin diese Mariah Carey und ich habe nichts von dieser Einladung gehört.”

33: Korrekt, dass Sie ein “and” — man denke an Ihre Hymne “Vision Of Love” — über volle zehn Sekunden lang halten können?
“Ein ‘and’ ist gar nicht einfach, weil das ‘n’ nicht einfach zu halten ist. Aber zehn Sekunden? Das schaffe ich. Zehn Sekunden sind gar nicht so lang.”

34: Sind Sie, auf eine Art, auch Countrysängerin?
“Eine Countrysängerin … warten Sie, da muss ich nachdenken. Nein. Finden Sie, dass ich eine Countrysängerin bin? Mein Vater ist schwarz. Ich kann also gar keine Countrysängerin sein. Ich stehe außerhalb dieser Kategorie.”

35: Ihre Länge in Zentimetern?
“Ich bin fünf Fuß und neun Inches lang. Das müssen Sie umrechnen.”

5,9 Fuß gleich 1,75 Meter.
“Mit Schuhen bin ich natürlich größer. Leute halten mich für winzig, bis sie mich zum ersten Mal treffen: Huh! Du bist ja groß!”

36: Ihr Idealgewicht?
“Ich gehe nicht nach Kilogramm. Ich gehe danach, ob meine Kleidung passt. Ich bin ein muskulöses Mädchen.”

37: Ihre Botschaft an die Millionen Frauen, die auf Diät sind?
“Seid realistisch. Seid liebevoller zu euch selber. Vergesst Diäten. Sie tun euch weh. Sport ist gesünder.”

38: Die größte Wahrheit, die Sie über Schönheitsoperationen sagen können?
“Ich denke, das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Hat man mal damit angefangen, ist es schwer, wieder aufzuhören.”

39: Ein Tier, mit dem Sie gern verglichen werden? Nein, doch eine andere Frage: Einverstanden, dass Sie das natürliche Aussehen eines Bunnys haben?
“Eines Bunnys?”

Gelächter. Sie genießt das, kämmt mit beiden Händen ihre Haare zurück, bevor sie in ihre Ausgangslage, die lächelnde, zurückkehrt.
“Wow. Danke. Das ist echt süß.”

40: Großfrage: Was ist ein Air Kiss?
“Ein Air Kiss ist die Begrüßung, die du anwendest, wenn du ein anderes Mitglied der Musik- oder Filmindustrie begrüßt. Du willst dein Make- up, du willst ihr Make-up nicht gefährden. Wenn es ein Mann ist, willst du seinen Kragen, Anzug oder sein Make-up nicht zerstören. Du bleibst also zehn Zentimeter vor dem Gesicht des anderen stehen und küsst die Luft.”

41: Wann zum letzten Mal vor dem Fernseher geweint?
“Ich weine über so viele Dinge. So viele Dinge gehen einem direkt ins Herz. Ich weine über Briefe. Ein Mädchen schrieb mir, dass sie als Kind missbraucht worden sei und dass meine Musik ihr helfe, ihr Trauma zu verarbeiten. Es rührt mich, wenn ich erfahre, welchen Einfluss ich auf das Leben anderer Menschen habe.”

42: Einverstanden, dass Sie die Aura einer schmerzerfahrenen Frau haben?
“Ehrlich? Ich betrete den Raum und Ihnen fällt ‘Schmerz&rrquo; ein? Das ist nicht gut.”

43: Genau jetzt: Empfinden Sie in irgendeinem Teil Ihres Körpers einen praktisch unerträglichen Schmerz?
“Ich habe Hunger.”

44: Wenn Sie swingen, welcher Körperteil swingt am dollsten?
“Meine Hüften?”

45: Wenn Sie liebeskrank sind, welches Organ schmerzt am dollsten?
“Die Seele.”

46: Keine Schmerzexpertin?
“Keine Schmerzexpertin, nein, sicher nicht. Das wäre furchtbar. Ich glaube nicht, dass ich Schmerzen genießen kann. Ich bin durch schmerzhafte Phasen gegangen, wie jeder Mensch, für die ich nun Worte habe, über die ich nun singen kann. Das gibt den Schmerzen nachträglich einen Sinn.”

47: Ihr Langschlafrekord?
“Ich wache zwischendrin auf. Stehe auf, esse, schlafe weiter. So schaffe ich 15 Stunden. Im Bett bleiben kann ich fünf, sechs Tage lang. Und länger.”

48: Ihr nervöser Tick?
“Den kenne ich nicht. Da bin ich anders. Ich habe gelernt, meine Hände ruhig zu halten, gerade wenn um mich herum die Spannung steigt.”

49: Bei Ihren sagenumwobenen Vocal Rests — Sprechpausen, bei denen Sie Ihre Stimme schonen — halten Sie Papptafeln hoch. Die ulkigsten Botschaften auf diesen Tafeln?
“Nein.”

No.
“Hot Tamale.”

Hot Tamale, sprich “Hot Tamali.” Eine typische Mariah-Begrifflichkeit, die so viel wie “besonders, schick, sexy, außergewöhnlich, glamourös” bedeutet und erst durch inflationären Gebrauch, vor allem in bedeutungsleeren oder unpassenden Situationen, ihren Witz und Charme entfaltet.

“Erspare mir die Einzelheiten.”
Spare me the details

50: Korrekte Information, dass Ihr Therapeut ein Pastor ist?
“Das kann man sagen, ja.”

51: Der Name Ihres Therapeuten?
“Pastor Clarence Keaton.”

52: Der letzte brauchbare Ratschlag von Pastor Clarence Keaton?
“Er möchte eigentlich immer nur, dass ich Ruhe gebe, Pausen einlege, den Kontakt zu mir selber halte, bei mir bin. Und er möchte, dass ich ihn anrufe, wann immer ich seine Hilfe brauche, ganz gleich, wie viel Uhr es ist.”

53: Einverstanden, dass es ein dummer Einfall wäre, sich in Ihren Therapeuten zu verlieben?
“Die meisten meiner Ärzte sind Frauen. Das ist für mich also kein Thema.”

Jetzt wollen wir, hoppla, doch noch eine ernste Angelegenheit mit ihr verhandeln: wie müde, traurig, niedergeschlagen sie wirklich ist. Der kleine Mariah-Gesundheitscheck.

54: Immer noch fernsehsüchtig?
“Nie gewesen. Immer nur radiosüchtig.”

55: Immer noch süchtig nach Old El Paso cheese flavored tortilla chips”?
“Nie gewesen. Ich liebe Pizza aus New York.”

56: Testfrage: Wie viele Kalorien hat eine Banane?
“Keinen Schimmer.”

57: Ein Vitaminprodukt, auf das Sie schwören?
“Es gibt dieses eine B1-Produkt, das nicht bitter schmeckt, sondern süß.”

58: Ein Schlafmittel, das Sie empfehlen können, weil es wirkt und dennoch nicht süchtig macht?
“Ich empfehle heiße Milch mit Honig.”

59: Das glamouröseste verschreibungspflichtige Medikament auf Erden?
“Die Antwort auf diese Frage kenne ich nicht.”

60: Einverstanden, dass Sie unter einer Comeback-Sucht leiden? Sie hatten bestimmt drei!
“Jeder kommt mir mit der Comeback-Theorie. Die Wahrheit ist: Du kannst niemanden abschreiben, der talentiert ist und sein Talent nicht aufgibt. Nein, ich bin nicht Comeback-süchtig. Ich bin süchtig nach Musik.”

Vier Großfragen, die breitesten Fragen auf Erden — auf geht's!
“Oh mein Gott…”

61: Was macht das Leben lebenswert?
“Gott hat uns das Leben geschenkt, das ist ein Segen. Man muss es wie ein Geschenk nehmen, nicht wie eine Strafe. Jesus, es gibt so viel wunderbare Dinge auf Erden: Musik, Freunde, Kollegen. Das Schwierige ist, das zu erkennen und anzunehmen, was einem gegeben ist.”

62: Ihr Beweis dafür, dass es Gott gibt?
“Keine Beweise. Beweisen Sie mir das Gegenteil! Ich spreche mit ihm jeden Tag.”

63: Sind Sie glücklich darüber, auf der Welt zu sein?
“Absolut.”

64: Können wir, Ihre Fans, Ihnen helfen, ein noch glücklicherer Mensch zu werden?

Oh Gott, was für eine Frage! Der Tiefpunkt.

“Ich hasse es, wenn Sie glauben, ich sei nicht glücklich! Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, Sie! Hören Sie damit auf!”

Sie lächelt, noch während sie diese Worte ruft — unglaublich! Unser Befund: Sie ist entweder hoffnungslos depressiv und suchtkrank. Oder: ein All-American Girl, süß, lieb und rosafarben, das einfach mehr CDs verkauft als andere. Eher: zweites. Im Folgenden: Glamourfragen, Mariah-Style.

65: Die ausgefallenste Moderegel, die Ihnen Andrew Leon Talley, Modechef der amerikanischen Vogue, beigebracht hat?
“Nein, keine Regel. Andrew sagt: Stil kommt von innen. Er ist ein derart verständiger, kultivierter — ein wunderbarer Mensch.”

66: Richtig beobachtet, dass Sie neuerdings mit einem Dreißiger-Jahre-Marlene-Dietrich-Stil experimentieren?
“Ich würde eher sagen: späte fünfziger Jahre, Marilyn Monroe. Für eine besondere Nacht, das ist richtig, war ich vom Marlene-Dietrich-Stil inspiriert.”

67: Wie lange brauchen Ihre Fingernägel zum Trocknen?
“Hängt davon ab, wer sie macht. Lang. Zu lang.”

68: Die schönsten Treppen auf Erden, die Sie jemals in Haute Couture — eine Hand am Geländer, einen Arm auf der Schulter eines Bodyguards — hinabgeschritten sind?
“Die Spanische Treppe in Rom. Aber da hatte ich irgendetwas an, keine Haute Couture. Es war ein spontaner Einfall. Ich wollte meine Fans überraschen.”

69: Der sexyste Gegenstand in Ihrem Wohnzimmer?
“Da möchte ich eine neue Dekoration in meinem Badezimmer erwähnen: lilafarbene, mit barocken Blumenornamenten verzierte Kerzenlüster.”

70: Ihr romantischstes Erlebnis in einer Stretchlimousine?
“Überschätzte Stretchlimousinen! Diese Hip-Hop-Videos geben ein verzerrtes, ein unrealistisches Bild von Stretchlimousinen wieder. Kein Platz, keine Intimität. Der Fahrer hört alles.”

71: Für die Show, den großen Auftritt: Sind Sie gut im Nervenzusammenbrüche-Vortäuschen?
“Da ich nie einen Nervenzusammenbruch erlebt habe, weiß ich auch nicht, wie ich einen vortäuschen sollte. Ich meine, wäre das ein Nervenzusammenbruch, wenn ich hier das Glas vom Tisch wische? Huh, hier liegt ein zerbrochenes Glas am Boden, kommt alle, helft mir! War das gut? Ich bitte Sie.”

72: Wenn Diamanten im Mund — als Zahnersatz — typisch Hip-Hop sind, welche Körpergegend für Diamanten ist typisch R&B?
“Ich sage, das Dekolletee.”

73: Wie viele Karat kann der Mensch maximal an einem Finger tragen?
“So viele, wie man mir schenkt. Nein, ehrlich. Ein Diamantring kann nicht schwer genug sein. Wird der Ring zu schwer, benutze ihn als Hantel.”

74: Das rockendste Stück in Ihrer Diamantensammlung?
“Rockend wie teuer? Wie auffällig? Sagt Ihnen die Rapgruppe The Diplomats etwas? Das schönste, das fetteste Stück hat mir Cam'ron von der Hardcore-Rapgruppe The Diplomats aus Harlem geschenkt. Er hat es vor mir von seiner Halskette genommen und mir überreicht.”

75: Wie viel Dollar muss man für die mit Diamanten verzierten Netzstrümpfe Ihres Dessouslabels Mariah Kiss Kiss bezahlen?
“Wir haben diese Netzstrümpfe noch nicht im Programm, weil ich persönlich keine Netzstrümpfe trage. Wenn wir sie herstellen, kriegen sie einen vernünftigen Preis.”

76: Richtig, dass Sie ohne High-heels Kopfschmerzen bekommen?
“Wahr ist, dass ich über keinerlei Erfahrungen im Laufen ohne Absätze verfüge.”

77: Kennen Sie eine zeitgemäßere, eine umfassendere Vision als, kurz gesagt, Louis Vuitton?
“Oh, ja.”

Sie schwingt nun ihre Beine von der Sofalehne herunter; setzt sich; wirft ihre Lockenpracht mit einem Ruck nach vorne und wieder zurück — so bringen Mädchen, die zum Voltigieren gehen, ihre Haare in Ordnung. Ihre Haarpracht, Lächelpracht, Busenpracht. Für die, die es bis jetzt noch nicht kapiert haben: Sie sieht brachial sexy aus. We love her.

78: Richtige Beobachtung, dass Sie eine sehr, sehr weibliche Person sind?
“Ich fühle wie eine weibliche Frau, oh ja. Ich hoffe, das macht Ihnen keine Angst.”

79: Manchmal genug vom ewigen Lächeln, Lächeln, Lächeln?
“Manchmal, ja. Ich lache lieber.”

80: Ihre Definition von Emanzipation?
“Befreiung von Zwang, Kontrolle, Unterdrückung oder der Macht anderer.”

81: Ihre Selbstverteidigungstechnik?
“Mein Bruder hat mir die Kombinationen beigebracht, als ich noch klein war. Er war ein professioneller Kickboxer.”

82: Einverstanden, dass Sie eine Ikone des Überlebens und der Befreiung sind?
“Ich weiß, dass ich Frauen, die unter schlechtem Einfluss standen und nun ihr Leben in die Hand nehmen, Vorbild sein kann, und ich wertschätze das. Ich hoffe immer, dass ich Menschen helfen kann.”

83: Die Vornamen Ihrer besten Freundinnen?
“Josephine, Rachel.”

84: Die Regeln einer Mariah-Pyjama-Party?
“Sei schneller.”

Be faster. Mehr sagt sie nicht. Man stellt sich Mariah, Josephine und Rachel vor, wie sie in Pyjamas Fangen spielen.

85: Der Inhalt Ihres Lieblingsfilms Mean Girls?
“Highschool-Dramen.”

86: Die Übersetzung Ihres Lieblingswortes “fetch”?
“Gut. Geil. Schick. Besonders. Eigenwillig. Keine Ahnung. Das fragt in Mean Girls das Dummchen, das nicht mitmachen darf, die Gang: ‘Was zum Teufel habt ihr immer nur mit eurem ‘fetch’?’ Es ist ein Slangbegriff aus England. Ich übersetze es mit “das Unmögliche möglich machen’.”

87: Einverstanden, dass Sie, als starke Frau, auch eine Schwulenikone sind?
“Ich höre das, ja.”

88: Ein Ding, das nicht-schwule Männer von schwulen Männern lernen können?
“Umgangsformen. Schwule Männer gehen mit den fabelhaftesten Frauen aus. Nun, ich frage mich, warum.”

Endspurt: Männer. Männer hatten wir ja überhaupt noch nicht.

89: Wie sieht in diesem Frühjahr 2006 “the one and only” aus, von dem in jeder R&B-Ballade die Rede ist?
“Er braucht Ruhe und ein starkes Selbstbewusstsein, damit er mit meinem Lebensstil mithalten kann.”

90: Ist es leichter, sich in einen Bodyguard oder einen Background-Sänger zu verlieben?
“Natürlich, eine topdämliche Frage! Nein, leider ist das eine gute Frage. Ich kenne meine Background-Sänger zu gut, um mich in sie zu verlieben. Nein, es läuft nicht so einfach.”

91: Reicht eine Hand immer noch aus, um alle Ihre Liebhaber abzuzählen?
“Ja.”

92: Der Vorname Ihres derzeitigen Liebhabers, den Sie hier — weltexklusiv im SZ-Magazin — fallen lassen möchten?
“Jack. Mein Hund.”

Nach dem Interview wird der Reporter mit einem Mitglied der Entourage und einem Latinojungen (unscheinbar; eher klein; Baggy-Jeans) im Aufzug stehen. Latino ab. Das Entourage-Mitglied, ihm hinterhernickend: “Das war er übrigens. Ihr Neuer.” Danke, Mariah. Zuletzt wollen wir noch mal das Minimum alles Sagbaren haben: das süße Nichts. Mit ihr kein Problem. Sie hat ihr Atemspray wieder gefunden. Pscht!

93 Wie geht's Jack?
“Großartig. Er ist auf dem Cover eines neuen Magazins namens K9.”

94: Wie geht es Whitney?
“Whitney Houston? Ich habe schon länger nicht mit ihr gesprochen.”

95: Haben Sie Informationen über den aktuellen Gesundheitszustand von Elizabeth Taylor, die anderen nicht zugänglich sind?
“Ich fürchte, nein. Entschuldigung.”

96: Wie hält man sich einen lebenden Schmetterling?
“Delikate Sache. Du brauchst bestimmte Temperaturen, eine bestimmte Luftfeuchtigkeit. Ich habe nur diesen hier.”

Hebt ihre rechte Hand. An ihrem Ringfinger steckt ein Schmetterling aus Brillanten.

“Mein Glücksbringer.”

97: Ihr Ratschlag an die erste deutsche Kanzlerin Angela Merkel? Wird sie sich durchsetzen in der bösen, bösen Männerwelt?
“Sie kennt ihren Job sicherlich besser, als ich ihn kenne. Sei stark. Bleib unabhängig. Erlaube den Männeregos nicht, dich aufs Kreuz zu legen.”

98: Und Ihre Botschaft an all die Frauen, die den großen, roten Teppich hinabschreiten, und — kracks — da bricht der Absatz?
“Genieße es. Mach einen Moment daraus. Nimm Absatz und Schuh und schenke sie einem Fan.”

99: Ihr Ernst, dass Sie immer noch an den Weihnachtsmann glauben?
“Tun das nicht alle?”

100: Ihre Frage an Marilyn Monroe?
“Wie geht es dir, Schatz?”