Kurz nach Mitternacht in einer Fünf-Sterne-Hotelsuite in Detroit: Duftkerzen werfen sanftes Licht auf eine der größten Pop-Diven aller Zeiten: Mariah Carey, 35, verkaufte mehr als 140 Mio. Schallplatten und hatte 16 Nummer-1-Hits weltweit.
Am 1. Dezember bekommt sie in München den Bambi für ihre einzigartige Karriere und ihr sensationelles Comeback, das ihr viele nicht zugetraut hatten. Mit der CD The Emancipation Of Mimi, sechsfach mit Platin ausgezeichnet, erfand sie sich völlig neu. Zwischen zwei Auftritten nahm sich Mariah Carey Zeit für ein offenes Bunte-Interview.
Miss Carey, sind Sie plötzlich eine Emanze?
Sagen wir, ich habe mich mit The Emancipation Of Mimi freigesungen.
Wovon?
Von alten Ängsten aus der Zeit, als man mich noch Mimi nannte und mir Plattenfirmen vorschrieben, wer ich zu sein habe. Ich wollte nie als die Diva Mariah enden. Mein Geschmack war immer viel kantiger, als man mir es erlaubte.
Aber das Diven-Image haftet Ihnen an.
Sehen Sie mich an: Ich trage Jeans, Tanktop, Stiefel und trinke Apfelschorle. Bin ich eine Diva?
Sie lassen Ihren Hund im Privatjet einfliegen, Sie tragen glamouröse Roben, Sie desinfizieren Ihre Hände, wenn Ihnen Menschen zu nahe kommen…
Stopp! Sie haben Recht. Aber ich kann das alles erklären. Wissen Sie, mein Jack-Russell-Terrier ist zu groß, um an Bord einer kommerziellen Airline als Passagier geduldet zu werden. Deshalb lasse ich ihn in meinem Mercedes hinterherchauffieren, wenn ich nicht privat fliege. Aber nie hat sich jemand, so gemein über ihn lustig gemacht, wie sich dieser Oliver Pocher über mich lustig machte. Es war bei einer Talkshow mit Thomas Gottschalk vor einem halben Jahr und ich sagte zu, weil ich Thomas kenne und ihm vertraue. Aber dann war da dieser Kerl, der meinte, sich auf meine Kosten profilieren zu müssen, und einen schlechten Witz über meine Kleider machte. Ich fand das erbärmlich.
Ihre Kleidung ist sehr eng und freizügig.
Ja, das ist auch so beabsichtigt. Ich lasse mich sogar meist direkt vor einer Show in meine Kleider einnähen, nackt! Weil ich es nicht leiden kann, wenn sich Unterwäsche abzeichnet oder der Reißverschluss Beulen wirft. Es ist Show, verstehen Sie? Es ist wie Verkleiden spielen mit Barbie, nur dass ich dabei die Puppe bin.
Mit Desinfektionsspray in der Handtasche?
Alle Sänger haben doch panische Angst vor einer Erkältung. Ist mir schon klar, dass es merkwürdig scheint, wenn ich mein Mikrofon desinfiziere, nur weil jemand anderes “Test” reingesagt hat. Aber die Alternative ist, dass ich eine Stimmbandentzündung kriege, und was dann? Meine Stimmbänder sind so einzigartig, dass mein HNO-Arzt Vorträge darüber hält.
Sie können viereinhalb Oktaven singen.
Die Ursache dafür sind winzige Knoten, die, wenn ich mich nicht pfleglich behandle, wachsen. Meine empfindlichen Stimmbänder sind eigentlich der Grund, warum ich nie ausschweifend gelebt habe. Nicht so sehr, wie ich gewollt hätte.
Man dachte immer, das lag an Ihrem väterlich strengen Ex-Ehemann Tommy Mottola, den Sie mit 23 heirateten.
Ach, erinnern Sie mich nicht daran. Manchmal wenn ich von dieser schrecklichen Zeit und meiner Ehe rede, kommt es mir vor, als spräche ich über jemand anderen.
Wieso schrecklich? Sie waren die erfolgreichste Sängerin aller Zeiten, nur Elvis und die Beatles schafften mehr Nr.-1-Hits.
Ich war erfolgreich, aber sehr unglücklich. Sehen Sie sich Bilder von damals an, meine Augen waren sehr traurig.
Wieso haben Sie Mottola geheiratet?
Weil ich mich ihm verpflichtet fühlte. Ich wollte ihm beweisen, wie gut und unschuldig ich bin. Im Moment beweise ich der Welt eher, wie taff ich sein kann.
Wie sind Sie wirklich?
Romantisch. Man könnte auch prüde sagen. Ich habe nie einen One-Night-Stand gehabt oder eine lockere Affäre, das wäre mir zu billig. Ich hatte immer Angst, ausgenutzt zu werden.
Und heute?
Meine Beziehungen kann ich immer noch an einer Hand abzählen. Ich arbeite sehr daran, allen Menschen, die mir wehgetan haben, zu verzeihen. Weil ich bestimmt auch viele Menschen verletzt habe.
Angeblich wollen Sie bald Mark Sudack, Fotograf und Executive Producer, heiraten.
Ich hätte im Moment überhaupt keine Zeit für eine Ehe oder gar ein Kind. Aber ich bin sehr glücklich. Seien Sie gewiss, es fehlt mir an nichts, nur an Schlaf. Ich habe mit Pavarotti gesungen und rappe mit Snoop Dogg. Ich bin in Brooklyn zu Hause und auf Capri. Wer kann das schon von sich sagen?
Das ist die Emanzipation der süßen Mimi zur coolen Mariah.
Ja. Als Kind habe ich darunter gelitten, nicht zu wissen, wohin ich gehöre. Heute profitiere ich von meiner Herkunft. So ist das Leben. Deine Schwäche ist immer auch deine Stärke.