Rumms! Mit einem heftigen Stoß fliegt die schwere Zimmertür auf. Wie ein Wirbelwind fegt Mariah Carey in ihre Suite im 4. Stock des Stuttgarter Hotels Interconti. Pünktlich auf die Minute und von Kopf bis zum Fußkettchen an ihrer rechten Fessel perfekt gestylt steht die 29jährige New Yorkerin breit grinsend im Zimmer. Keine Spur von Jetlag: Mariah, deren Ballade “I still believe” kurz davorsteht, ihr 14. Nummer-eins-Hit in den USA zu werden, wirkt erholt und abenteuerlustig. Ihr knappes, graues Gucci-Kleid verhüllt nur das Nötigste, und die Spaghettini-Träger drohen jeden Moment den Kampf gegen die Last der wundersam gewachsenen Oberweite zu verlieren. Im Schlepptau der Diva hat inzwischen ein ganzes Helferteam den Raum betreten: Mariahs persönliche Assistentin, zwei Bodyguards, zwei Promoterinnen ihrer deutschen Plattenfirma und ein Betreuer aus London warten gebannt auf die Anweisungen der als extrem schwierig geltenden Sängerin. Doch Mariah schnappt sich nur wortlos ein Glas Rotwein, läßt sich lässig auf eines der roten Velour-Sofas fallen und erteilt ihren Begleitern eine Ruhepause: “Danke, Leute! Das hier ist ein Interview, kein Massenauflauf. Kommt doch so in einer halben Stunde wieder!”
Du bist erst gestern von New York nach Europa gekommen und wirkst trotzdem relaxt.
Stimmt. Normalerweise habe ich schrecklich mit dem Zeitunterschied zwischen den USA und Europa zu kämpfen. Doch diesmal habe ich meine innere Uhr durch viele kurze Ruhepausen schon nach zwei Tagen wieder ins Gleichgewicht gebracht. Vorhin habe ich noch fast zwei Stunden an Bord meines Privatjets hier auf dem Flughafengelände geschlafen. In welcher Stadt sind wir hier eigentlich?
In Stuttgart. Verlierst du immer so leicht die Orientierung?
Hör mal, was heißt hier leicht? Ich bin rund 250 Tage im Jahr unterwegs. Und wenn ich nicht in New York bin, sehe ich nur Flughäfen, Autos, Hotelzimmer, Konzertsäle sowie Fernseh- und Fotostudios. Glaub mir, das alles sieht überall auf der Welt ziemlich gleich aus. Das ist ganz schön frustrierend. Und selbst wenn ich es mal schaffe, nach einem Auftritt spätabends noch in einen Club oder ein Restaurant zu gehen, bekomme ich von der jeweiligen Stadt trotzdem nichts mit.
Das klingt ja fast, als wolltest du dich über deinen Erfolg beschweren. Bist du gar nicht stolz darauf, mit 95 Millionen verkauften CDs die erfolgreichste Sängerin der 90er Jahre zu sein?
Aber klar bin ich stolz! Superstolz! Jede einzelne verkaufte CD bedeutet mir mehr als jede Auszeichnung wie zum Beispiel der Grammy. Meinen Traum, als Sängerin ganz oben zu stehen, haben mir nicht die Kritiker erfüllt, sondern die Millionen Fans auf der ganzen Welt, die meine Platten kaufen und in meine Konzerte kommen. Als ich mit 17 Jahren bei meiner Mutter auszog, hatte ich nichts außer meiner Stimme und meinem Glauben an meine Karriere. Meine Freunde haben mir einen Vogel gezeigt, als ich ihnen damals erklärte, daß ich Sängerin werden will, koste es, was es wolle. Jetzt habe ich es allen bewiesen!
Inzwischen bist du aber nicht mehr so unangefochten wie vor vier, fünf Jahren. Die Konkurrenz wird immer jünger und verfügt über tolle Stimmen…
Du meinst solche Girls wie Monica oder Brandy. Die zwei sind wirklich hervorragende Sängerinnen. Aber ich würde nicht von Konkurrenz sprechen. Das klingt so böse. Es gibt Platz für uns alle. Außerdem höre ich ihre Sachen verdammt gern.
Jahrelang waren Whitney Houston und du große Rivalinnen. Letztes Jahr habt ihr gemeinsam den Song “When you believe” für den Prince of Egypt-Soundtrack aufgenommen. Wie war die Zusammenarbeit?
Am Anfang hat man uns beide gelinkt (lacht): Man hat mir erzählt, daß Whitney bereits zugesagt hätte, und Whit ney hat man das gleiche über mich erzählt. Und weil keine von uns beiden die Spielverderberin sein wollte, standen wir schon nach ein paar Tagen zusammen im Studio. Der Song war ein toller Beweis dafür, daß unsere angebliche bitterböse Rivalität ein komplettes Märchen ist. Wir sind Freundinnen und haben bei den Aufnahmen zum Video rumagalbert wie kleine Kinder. Ganz ehrlich!
Du hast 13 Num-mer-eins-Hits gelandet. Auch deine neue Single “I still believe” ist auf dem besten Weg an die Spitze. Warum hast du trotzdem eine zweite Karriere als Schauspielerin gestartet?
Schauspielern war schon in der Schulzeit meine große Leidenschaft. Und zeig mir mal das Girl, das eine Rolle neben Chris O'Donnell, dem Robin aus Batman, ablehnen würde! Du wirst keins finden!
Welche Rolle spielst du in dem Film, und wie heißt er?
Der Titel des Films ist The Bachelor (dt.: Der Junggeselle). Ich spiele eine exzentrische Operndiva und bin die EX-Geliebte von Chris. Der Clou: Chris muß mich innerhalb von 24 Stunden heiraten, um an ein Riesenerbe von 100 Millionen Dollar zu kommen.
Wo habt ihr den Film gedreht?
In Los Angeles und San Francisco. Im Sommer startet der Streifen in den USA.
Stimmt es, daß du demnächst einen zweiten Film drehen wirst?
Ja, im August. Er wird All that Glitters heißen. Ich spiele darin die Hauptrolle und schreibe auch den Soundtrack. Die ersten vier Songs habe ich bereits im Kasten. Sechs sollen es werden. Wenn alle Nummern fertig sind, beginnen die Dreharbeiten. All that Glitters ist eine tragische Liebesgeschichte, die im New York der frühen 80er Jahre spielt.
Celine Dion will nach ihrer Welt-tour eine Pause einlegen und ein Baby bekommen. Wünschst du dir nicht manchmal auch Kinder?
Auf jeden Fall. Als Mutter will ich genauso sein wie meine Mum. Sie hat mir immer geholfen. Sie war auch Sängerin und hat mich Mariah genannt, weil sie wußte, wie wichtig ein guter Name für die Bühne ist. Mit ihrem Glauben an mich hat sie mir unheimlich viel Kraft gegeben. Sie hat mich unterstützt. nicht manipuliert. Das war klasse. Doch im Moment fühle ich mich selber noch zu unreif und unerfahren, um Kinder zu haben. Außerdem fehlt mir der richtige Mann! Nach meiner gescheiterten Ehe mit Tommy Mottola habe ich Angst, wieder enttäuscht zu werden, lasse mich nicht so schnell auf eine Beziehung ein.
Viele Fans denken, du seist mit dem französischen Chanson-Sänger Luis Miguel zusammen?
Nein! Wir sind sehr, sehr gute Freunde und treffen uns, wenn immer es unsere Zeit zuläßt. Mehr läuft nicht!
Und was ist mit Puff Daddy und Leonardo DiCaprio, mit denen du im letzten Herbst ein paarmal in New York gesehen wurdest?
Gegenfrage — bist du mit jedem Girl zusammen, mit dem du ein- oder zweimal ausgehst? Na also! Wenn ich in New York bin, versuche ich nur, mein Leben zu genießen. Ich spiele mit meinem Hund “Jack,” einem Jack-Russel-Terrier, hole mir bei McDrive einen Burger, relaxe in der Badewanne, oder ich gehe abends in irgendeinen Club. Und dort treff' ich Puffy oder Leonardo. Beide sind wirklich gute Freunde, mehr nicht!