“Ich Mache Mein Ganzes Leben Umgekrempelt!”

Bravo Magazine
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Bravo (DE) October 16, 1997. Text by Kai Bargmann.

Große Aufregung im Lager von Mariah Carey (27): Wegen rechtlicher Probleme mit einigen Sambles für ihr neues Album Butterfly muß das große Bravo-Interview kurzfristig verschoben werden — Mariahs Rechtsanwalt Donald Passman hat Vortritt. Fünf Stunden (!) dauert das Gespräch, dann werde ich schließlich an dem hünenhaften schwarzen Leibwächter Ron vorbei in Suite 217 im noblen Mondrian Hotel in Los Angeles geführt. Meine Geduld wird belohnt: Mariah empfängt mich im Bett, mit nichts weiter einem schwarzen, hauchdünnen Seidenkleid bekleidet. Für einen Augenblick verschlägt es mir den Atem: “Wie wollen wir es machen, Mariah?” Sie lächelt au-genzwinkernd. “Ganz, wie du willst,” antwortet sie lachend. “Na gut, dann komme ich zu dir ins Bett,” antworte ich, ziehe mir die Schuhe aus und lege mich neben sie. Mariah knipst das Licht aus und beim Schein einer Kerze beginnt das Interview…

Unser Gespräch sollte eigentlich in deiner Heimatstadt New York stattfinden. Dann hast du es hierher nach Los Angeles verlegt. Warum?
Ich habe mich kürzlich von meinem Manager Randy Hoffman getrennt, der mich seit dem Beginn meiner Karriere betreut hat. Der Schritt ist mir sehr schwer gefallen, aber nach der Trennung von meinem Ehemann Tommy Mottola, der ja Geschäftsführer meiner Plattenfirma Columbia ist war es notwendig, denn Tommy und Randy waren beide alte Freunde. Ich brauchte frischen Wind. Mein neuer Manager Sandy Gallin hat seinen Sitz in Los Angeles. Außerdem haben wir hier auf dem Flughafen Van Nuys eine zweite Version meines neuen “Honey”- Videos gedreht.

Worum geht es in dem Clip?
Wir greifen im Video eine James-Bond-Idee auf. Doch statt des Happy Ends mit einem Traumtypen auf einer Insel, werde ich als Agentin M diesmal von meinen Freunden Puff Daddy, Lox und Mase gerettet.

Wie das?
Es ist total aufregend: Sie nähern sich in einem schwarzen Helikopter, der aber nur bis auf 15 Meter an die Wasseroberfläche herankommt. Dann wird von oben eine Bergevorrichtung herabgelassen, an der ich in den Hubschrauber gezogen werde. Die Szene habe ich selbst gedreht, und das auch noch in meinen hochhackigen Gucci-Pumps. Ich habe Überhaupt nicht bemerkt, wie sehr ich meine Armmuskulatur die ganze Zeit beim Festhalten angestrengt habe Mein Arm schmerzt immer noch, deshalb muß ich jetzt meine Interviews im Bett führen (lacht).

Puff Daddy hat auch deine Single “Honey” produziert. Wie bist du auf ihn aufmerksam geworden?
Ich war schon ein Fan seiner Musik, noch bevor er als Rapper Puff Daddy bekannt wurde. Ich bin mit Urban Music groß geworden und war begeistert von seinen Remixen. Corey Rooney, ein gemeinsamer Freund, hat auf meinen Wunsch den Kontakt hergestellt. Inzwischen machen wir uns einen Spaß daraus, wer der meistbeschäftigte Star im Showbusineß ist — Puff oder ich.

In dem Clip zeigst du dich so sexy wie noch nie, ist das Video für dich der Beginn einer neuen Ära?
Ich sehe es nicht als neue Ära, sondern als Teil meiner Entwicklung. Ich bin einfach nur ich selbst. Natürlich wäre es sicherer, wenn ich weiter das kleine Mädchen bliebe, das die ganze Zeit glücklich “Hero” singt. Aber ich bin erwachsen geworden und will meine Persönlichkeit ausdrücken. Der Clip ist sehr sexy, aber er ist nicht zu ernst gemeint. Ich will nicht zur Sexgöttin werden.

Du siehst in “Honey” einfach phantastisch aus. Wie hast du dich in Form gebracht?
Danke für das Kompliment. Glücklicherweise habe ich von Haus aus gutgeformte, muskulöse Arme und Beine. Wenn ich wirklich dauernd Fitneßtraining betreiben würde, sähe ich schnell wie ein Bodybuilder aus Außerdem verträgt sich Fitneßtraining nicht mit meiner kraftvollen Art zu singen — es nimmt mir die Energie. Aber ich neige dazu, am Bauch ein bißchen anzusetzen, wenn ich mal zwei Wochen lang keine Gymnastik mache. Deswegen habe ich in den fünf Tagen Vorbereitungszeit, die ich für den Clip hatte, viele “Klappmesser” gemacht und streng Diät gehalten.

Am Ende des “Honey”-Videos sieht man, wie du am Strand einer paradiesischen Insel auf den Armen eines Traummannes in Richtung Sonnenuntergang verschwindest. Hat es zwischen euch auch privat gefunkt?
Nein. David, so sein Name, ist schon sehr gutaussehend, aber er war nur als Model für den Dreh angeheuert, für einen Mann habe im Moment überhaupt keine Zeit. Ich habe nicht einmal Zeit, meine Familie zu sehen.

Was ist dir an einem Mann besonders wichtig?
Es kommt mir nicht auf das Aussehen an. Auch ein schöner Mann kann ein Trottel sein. Nicht, daß das bei David der Fall war, aver ich bin nicht oberflächlich. Wenn mich jemand zum Lachen bringen kann, mir das Gefühl gibt, zufrieden mit mir zu sein und mich glücklich macht, dann ist es jemand, mit dem ich zusammensein will.

Sind es diese Eigenschaften die dir in deiner Ehe mit Tommy gefehlt haben?
Nein. Wenn Tommy in der richtigen Stimmung ist, kann er der witzigste Typ sein. Er ist brillant, sehr talentiert in dem, was er tut — ich liebe ihn noch immer. Er wird immer Teil meiner Familie bleiben. Es gab keine Feindschaft, keinen Streit zwischen uns. Unsere Trennung ist Teil meiner persönlichen Entwicklung. Ich habe mich stark verändert — mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Bist du nach der Trennung aus eurem Traumhaus in Bedford im US-Bundesstaat New York ausgezogen?
Nein, meine ganzen Sachen stehen noch immer da. Ich suche allerdings eine Eigentumswohnung in New York, und Tommy und ich werden das Haus irgendwann verkaufen. Ich selbst arbeite viel, reise viel, lebe in verschiedenen Hotels und mache mein eigenes Ding. Dies ist ein never Abschnitt in meinem Leben, und nichts passiert ohne Grund. Jetzt bin ich hier, und das ist okay.

Du hattest lange das Image einer Primadonna, die in ihrem Märchenschloß zurückgezogen von der Öffentlichkeit lebt. Soll damit nun auch Schluß sein?
Da ist von den Medien ein unglaublicher Wirbel gemacht worden. Vieles ist übertrieben oder stimmt gar nicht. Ich sehe mich selbst nicht als Superstar-Diva, sondern als ziemlich lockeren, bodenständigen Menschen. Es macht mich traurig, daß davon kaum jemand weiß, denn ich bin stolz auf meine Natürlichkeit.

Die Texte auf deinem neuen Album Butterfly sind sehr persönlich und wirken fast wie Tagebucheintragungen. In “The Roof” erzählst du von einer heißen Liebesnacht auf dem Dach eines Hauses. Hast du das selbst erlebt?
(Lacht laut los) Das ist komisch, denn es ist tatsächlich sehr persönlich. Wenn ich schreibe, dann setze ich manchmal verschiedene Situationen aus der Vergangenheit zusammen oder schildere etwas, was tatsächlich passiert ist (zwinkert mit den Augen). Ich lasse das offen für Spekulationen.

In unserem letzten Interview hast du mir erzählt, du hättest keine Filmpläne. Hat sich das, vor allem nach deinem Agenten-Auftritt im “Honey”-Video, inzwischen geändert?
Früher war ich von der Musik, der Arbeit im Studio und vom Songschreiben völlig beansprucht. Ich hatte gar keine Zeit für irgend etwas anderes. Jetzt suche ich neue Herausforderungen. Ich habe schon in meiner Jugend gern Theater gespielt. Seit einiger Zeit nehme ich Schauspielunterricht, weil es für mich fast so etwas wie eine Therapie ist. Ich habe mich dadurch selbst viel besser kennengelernt. Zur Zeit arbeite ich auch an einem Filmprojekt, kann aber nur soviel verraten: Es wird ein Musikfilm.

Du machst dich sehr rar, was Live-Auftritte angeht. Wird sich das jetzt ändern?
Allerdings. Ich plane eine Welttournee, die im Januar in den Staaten beginnt und die später auch nach Deutschland führt. Ich werde im Frühjahr in Germany mindestens fünf Konzerte geben.